(USA 2017) El infinito / O Culto Regie: Justin Benson, Aaron Moorhead Drehbuch: Justin Benson Darsteller: Justin Benson, Aaron Moorhead, Callie Hernandez, Shane Brady
Wer das Berufsleben hat ergriffen und dazu noch in nördlicher Abgeschiedenheit sein Dasein fristet, dem fehlt leider viel zu oft die Zeit, sich am Puls der selbigen zu bewegen. Und so gehen regelmäßig immer wieder echte Perlen der Filmkleinodien ungesehen an mir vorbei oder werden nur mit unerträglicher Verspätung vergustiert. Diesmal hatte ich aber Glück. Dank meiner Lieblingsgenossenschaft Drop Out Cinema erlebt der mit vielen Vorschusslorbeeren ausgezeichnete Independent Film "The Endless" kurz vor dem Videostart eine homöopathische Kinoauswertung. Und tatsächlich schiebt das kommunale Kino zwei Spätvorstellungen mit rein, also nichts wie hin! Die durch den "Wat de Buer nich kennt" - Effekt arg reduzierte Zuschauerzahl definieren wir kurzerhand in eine großzügige Platzwahl um und fühlen uns mal so richtig wie in einer Weltstadt! "The Endless" ist eine Low Budget Produktion von Justin Benson und Aaron Moorhead, die nicht nur Regie führten, sondern mehr oder weniger auch alle anderen zentralen Funktionen wie Drehbuch, Kamera und Schnitt besetzten. Zusätzlich spielen sie auch noch die Hauptrollen. Die Brüder Aaron (!) und Justin (!) bestreiten mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt als Gebäudereiniger. Vor zehn Jahren hatte der ältere Justin die beiden aus den Fängen einer Selbstmord-UFO-Sekte befreit. Eines Tages erhalten sie ein Paket mit einer Videokassette, auf der ihre Mitstreiter von damals ihren Selbstmord ankündigen. Aaron der eigentlich nur schöne Erinnerungen an die Zeit hat, will nun die Gruppe wieder besuchen und überredet Justin zu einem Kurztrip in die Einöde von Süd Kalifornien. Die angeblich so verrückte Gruppe erweist sie aber vor Ort als ganz normal. Im Gegenteil, es ist sogar ausgesprochen idyllisch in dem Camp. Justin hatte es also bei der Beschreibung der damaligen Zustände nicht besonders genau mit der Wahrheit genommen. Aaron würde am liebsten sein armseliges Leben in der Stadt für diese Gemeinschaft aufgeben. Justin hingegen ist trotz der herzlichen Aufnahme sehr viel kritischer, trifft aber bei aller Herzlichkeit auch auf eine unterschwellige Ablehnung. Mit dem redseligen Camp Bewohner Hal versucht er hinter das Geheimnis des Camps zu kommen, aber Hal gibt statt Antworten immer nur seltsame Metaphern von sich. Es geschehen allerdings wirklich seltsame Dinge in dieser heilen Welt und so manches Geheimnis wartet darauf entschlüsselt zu werden. Justin gerät bei seinen Nachforschungen immer tiefer in eine Welt, die sich mehr und mehr als absurder Alptraum entpuppt. WOW! Das war nach Hereditary gleich ein zweiter Horrorfilm, der mich wirklich gepackt hat. Auch bei "The Endless" wird fast komplett auf Jump-Scares verzichtet, sondern stattdessen durch großartiges Storytelling ein sich fast unmerklich steigerndes Angstgefühl aufgebaut. Es ist wirklich unglaublich stark welchen Sog die Geschichte entwickelt und Stück für Stück das Geheimnis entschlüsselt wird. Auch wenn sich die Auflösung im Nachhinein als gar nicht so spektakulär erweist, so war ich nach dem Film derart mit Adrenalin vollgepumpt, dass sich mein Heimweg durch die dunkle Stadt als kostenloser Zusatzgrusel gestaltete. Der Film beeindruckt zunächst einmal durch seine fantastische Optik. Die unendliche Größe der USA mit ihren riesigen unbewohnten Gebieten wird wunderschön eingefangen. In dieser Weite werden nun stetig Symbole eingeführt und später dann immer wieder auf diese zugegriffen. Wie es sich für richtiges Kino gehört, werden die wichtigen Wendepunkte allesamt über die Bilder erzählt, lediglich unterstützt von den Dialogen. Die Bilder werden von einem dezent klingenden, aber dafür um so wirkungsvolleren Soundtrack von Jimmy Lavalle bzw. seinem Projekt "The Album Leaf" perfekt unterstützt. Dieser hat bereits vorher mit den beiden Regisseuren zusammengearbeitet und die Stimmung der Geschichte perfekt eingefangen. Ich muss nur kurz in den Soundtrack reinhören und befinde mich sofort wieder in dieser skurrilen Welt. Hammer! Es funktioniert einfach alles bei "The Endless". Seien es die hochinteressanten und sehr pointiert ausgearbeiteten Charaktere, das ausgefeilte Drehbuch bei dem alle Fäden zum Schluss wieder zusammenlaufen oder nicht zuletzt die Schauspieler, welche den Film buchstäblich mit Leben füllen. Geld für Special FX war keins da, aber das macht nichts, die vorhandenen Möglichkeiten werden maximal eingesetzt. Selbst der Humor kommt bei Benson und Moorhead nicht zu kurz. Einige Dialoge zu Beginn des Filmes sind retrospektiv gesehen (also nachdem man weiß was wirklich los ist) wirklich witzig. Ein besonders gelungenes Kabinettstück der beiden ist zudem der Einbau ihres Film "Resolution" in die Geschichte. Dies gelang so gut, dass es für das Verständnis diese Szene irrelevant ist, ob man den Film bereits kennt oder nicht. Für die einen ein riesiges Easter Egg, für die anderen eine ganz normale Szene. Die besondere Art der Inszenierung verführt natürlich zu Vergleichen mit anderen Filmen oder Regisseuren. Sehr naheliegend ist da wohl ein Verweis auf Don Coscarelli, der mit Phantasm ein ähnlich spektakuläres DIY Projekt auf die Beine stellte. Andere Stimmen betonen die Lovecraft-artige Atmosphäre und führen Stuart Gordon oder gar David Lynch ins Feld. Meine spontanen Referenzen gehen eher in Richtung "Soljaris" oder "Stalker" von Tarkowski. Und auf eine bizarre Art und Weise finden sich auch Anleihen bei "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry. Das mag am Ende so richtig wie auch falsch sein, es zeigt jedoch dass mit "The Endless" den Machern ein großartiges Stück Kino gelungen ist, welches definitiv eine große Portion Kultpotential mitbringt. Es ist schon ein wenig schade, dass die meisten ihn nur auf dem heimischen Bildschirm sehen werden. Darum auf jeden Fall die Augen offen halten, ob sich vielleicht nicht doch noch ein Kino mit diesem Meisterwerk findet.
Sören |
- Hauptkategorie: Film