pwPee Wee's Big Holiday (2016) 
Warum die Menschheit einen Urlaub mit Pee Wee Hermann nötig hat.

(Eine Rezension)

Der durch Paul Reubens in den 80er Jahren erdachte und dargestellte Charakter des Pee Wee Hermann, ist die perfekte Kombination aus Kitsch, Surrealismus und dem infertilem Humorverständnis eines Zehnjährigen. Ein vor Unschuld nur so trotzendes Manchild, welches den Zuschauer Mitte der 80er Jahre, wahlweise in den Varianten familiengerecht und HBO-Special, im amerikanischem Fernsehen auf die Reise in seine, konstant an einen besonders eskalierten LSD-Trip erinnernde, Welt mitnahm.

Während sich die TV-Specials (für Erwachsene) und die Playhouse Variante (Vormittagsprogramm, welches deutschen Pädagogen Angstschweiß auf die Stirn getrieben hätte) in einer durchweg unwirklichen Welt aus sprechenden Stühlen und vom Analphabetismus geplagten Cowboys bewegte, entdeckte der größte Teil des weltweiten Publikums Pee Wee erst 1985 mit Tim Burtons Mainstream-Regiedebut „Pee Wee's Big Adventure“.

In „Big Adventure“ wurde der Pee Wee Charakter erstmals, durch Reubens und Burton, aus der relativen Sicherheit des Fantasieortes Puppetville herausgerissen, und innerhalb eines Roadtrip-Movies mit der ungeschönten Härte von Heartland-Amerika konfrontiert. Ekelerregende Truckstops, Reisende Handelnde, absurd thematisierte Roadside-Hotels und billigste Touristenfallen ließen damals schnell die Vermutung aufkommen, dass Puppetville vielleicht der normalste Ort der Welt sein könnte. Der Film ist in jedem Fall phänomenal, und stellt den bisherigen Erfolgshöhepunkt des Pee Wee Herman-Charakters dar.

Mit „Big Top Pee Wee“ scheiterte dann 1988 ein Sequel an übermäßiger Involvierung diverser Produzenten. Paul Reubens selbst mußte sich 1991 vor Gericht verantworten, da er beim Onanieren innerhalb eines Pornokinos erwischt wurde. (Das Debattieren ist in amerikanischen Debattierclubs übrigens ebenfalls weiterhin verboten.) Die Strafe fiel mit ein paar Sozialstunden zwar milde aus, durch enorme Mithilfe der Yellowpress, wurde die vermeintlich unschuldige Seele, auf deren Basis Reubens Paraderolle aufgebaut war, in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings vorerst zerstört. Zwar trat Reubens in den 90ern öfters in größeren Produktionen (Blow, Batman Returns, Dr. Dolittle etc.) in Nebenrollen auf, der Pee Wee Charakter war dennoch als tot anzusehen. Der kurze Versuch eines Pee Wee-Comebacks 2002 wurde durch einen mutmaßlichen Kinderpornographie-Skandal, welcher absurderweise Rob Lowe's Sextape involvierte und 2004 durch ein Gericht beendet wurde, sabotiert.

Nun also, eine fulminante Broadway-Show, ein sehr erfolgreiches HBO-Special und fast 28 Jahre später, hat es doch noch einen dritten Pee Wee Herman Film gegeben. Netflix und der, nicht enden wollenden, Reboot-Welle sei dank.

„Albernheit ist die Erholung von der Umwelt.“ (Peter Bamm)

Was also macht ein Pee Wee Herman im Jahr 2016 eigentlich? Die Story ist netterweise, auch in Anlehnung an Burtons Erstling, mit dem einfachen Satz „Pee Wee muss wo hin!“ abzuhandeln. (Weitere Erklärungen zum Sachverhalt überlasse ich dem Film wohlwissend selbst.) Es handelt sich tatsächlich ein weiteres Mal um einen Roadtrip-Movie. Also wird das ewige Kind ein weiteres Mal auf die große weite Welt geschickt, um erneut Humor aus der Idee, eines guten Herzens in einer schlechten Welt, zu ziehen. Naheliegend ist dann die Vermutung eines zynischen Films. Eines verklärten 80er Nostalgie-Produkts, dessen einziger vertretender Standpunkt der Umstand ist, dass „Früher“ ganz bestimmt Alles besser war.

pw2Genau hier liegt der ganze Trick am Erfolg dieses Films sowie Pee Wee Herman's allgemein. In seiner arglosen Natur ist es dieser Figur überhaupt nicht möglich einen Kommentar abzugeben. Wenn wir generell davon ausgehen, dass keine Kunst innerhalb eines Vakuums entsteht, sondern stets ein Spiegel von Entstehungszeit und Umständen ist, dann ist Pee Wee Herman eine Irregularität, da er statt der häufiger vorkommenden Reflexion eine Reaktion darstellt. Wo eine Reflexion eine passive Handlung darstellt, ist eine Reaktion eine aktive Tat. Statt uns etwas über die uns umgebende Welt zu erklären, möchte uns der Film mehr einige Vorschläge zum Umgang mit Selbiger geben.

Pee Wee kennt weder Missgunst noch Vorurteil. Er hat weniger Angst vor Halsabschneidern und Verbrechern, als das er Angst vor Schlangen hat. Mit der simplen Begründung, dass er die Viecher creepy findet. Und als er das so hört, fragt sich der Autor schon, ob Ihn eine potenzielle Spinne hinter seiner Coach nicht mehr sorgen sollte, als das abstrakte Gedankenspiel bei einem Bombenanschlag zu sterben. Und dann lächelt er.

Rein oberflächlich gesehen mag Pee Wee's Big Holiday keine guten Gags haben. (Außer Popel-Witze! Popel-Witze sind immer klasse!) Wobei dieses Makel wahrscheinlich auf Alle Pee Wee Produktionen zutrifft. Ehrlich gesagt passiert auch nicht so wirklich viel. Spannungsbogen und Dreiakt-Struktur sind beide nicht vorhanden. Und dennoch fällt es über die Laufzeit schwer das Grinsen einzustellen. Ein Film der puren Emotion seines Hauptcharakters beruht. Lebensfreude auf diesem Level zu konvertieren ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Ich für meinen Teil empfehle jedem Leser einen Kurzurlaub in einem Film, welcher wahrscheinlich die lebensbejahende Erfahrung des Filmjahres 2016 sein wird.

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