tsch01Tschick (2016)


Regie: Fatih Akin

Vorlage: Wolfgang Herrndorf

Drehbuch: Lars HubrichFatih Akin, Hark Bohm

Darsteller: Tristan Göbel, Anand Batbileg,
Anja Schneider, Uwe Bohm

 

Ab 9. März auf DVD/BluRay

 

Es gab mal eine Zeit in den späten 70er Jahren, in denen deutsche Jugendfilme so ziemlich das stärkste waren, was es im Kino an deutschen Produktionen zu sehen gab. Eine Zeit in der sich Filme wie „Moritz lieber Moritz“ (1976) oder „Nordsee ist Mordsee“ (1978) gegen die, aus Sexfilmchen und  Noch-ein-Möchtegern-Fassbinder-Werken bestehende, Konkurrenz deutlich absetzen konnten und sogar in den Hitlisten an der ein oder anderen amerikanischen Produktion vorbeizogen. Regisseur dieser beiden Vorzeigewerke war Hark Bohm, in den Hauptrollen fand man seine Adoptivsöhne Uwe und Dschingis Bowakow.

tsch02Reisen wir jetzt mal eben 40 Jahre in der Zeit voran und landen bei Fatih Akins Bestsellerverfilmung „Tschick“, die die Geschichte des 14-jährigen Maik (Tristan Göbel) erzählt. Er ist der „Unsichtbare“ in seiner Schulklasse, seine Mutter ist Alkoholikern, die ab und an mal ferienmässig den Entzug betreibt, sein Vater einfach nur ein Riesenarschloch. Als der „Neue“ in der Klasse, der „Asi“ Tschick (Anand Batbileg), ein russischstämmiger Jugendlicher eines Tages mit einem geklauten Lada vor Maiks Tür steht, beschließen die beiden kurzerhand sich damit auf den Weg in die Walachei zu machen. Auf ihrer Fahrt lernen sie Land und Leute kennen, kommen der Polizei in die Quere und erleben den Sommer ihres Lebens.

Akins Film ist ein waschechter Roadmovie von nahezu klassischer Bauart und ebenso eine perfekte Symbiose aus Jim Jarmusch und Hark Bohm. Durch Akins sichere Hand wirkt der Film aber nie wie eine blosse Hommage, sondern bleibt immer eigenständig. Die Geschichte spielt zwar im Sommer 2016 in Berlin, Brandenburg und Sachsen, könnte aber ebenso Anfang der 60er Jahre in Derry/Maine oder in den späten 70ern in Hamburg spielen. Wenn nach 25 Minuten ein Handy auf dem Asphalt der Landstraße zerplatzt und Richard Claydermann aus dem Cassettenrecorder des Ladas erklingt, landet man in einer sozusagen zeitlosen Welt. Man ist wieder 14, die Sommer sind endlos und man möchte einfach ausbrechen aus dieser Zeit zwischen Kind und Erwachsenem.

tsch04Fatih Akin erzählt seine Geschichte in schönen und ruhigen Aufnahmen und gerade dieser Verzicht auf das heute übliche Kameragewackel und Schnittstakkato, macht den Film in der heutigen Zeit schon fast wieder „modern“. Natürlich gibt es auch die ein oder andere Drohnenaufnahme und man darf sich auch sicher sein, dass „Tschick“ nicht auf 35 mm geschossen wurde, aber diese Techniken werden hier zur Verstärkung  - und im Sinne - des genrespezifischen Gefühls genutzt.

Unterstützt wird Akin bei seiner Arbeit zuerst einmal von den beiden Hauptdarstellern Tristan Göbel (Maik) und Anand Batbileg (Tschick), zwischen denen eine Chemie herrscht, die nicht zufällig an die zwischen Dschingis und Uwe aus „Nordsee ist Mordsee“ erinnert. Sieht man sich nämlich die Credits von „Tschick“ etwas genauer an, dann ist dort Hark Bohm nicht nur als Co-Drehbuchautor sondern eben auch als künstlerischer Berater angegeben. Ich kann mirt vorstellen, dass seine Mitarbeit starlk mit dazu beigetragen hat, dass sich der Film so „richtig“ und „echt“ anfühlt. Weder findet man hier den erhobenen Zeigefinger, noch wird versucht eine Moral zu vermitteln – es wird einfach die Geschichte zweier Jungs erzählt, die ein kleines Abenteuer erleben.

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Nicht immer legal, nicht immer ungefährlich und teilweise auch sehr respektlos im Umgang mit dem Eigentum anderer Leute – na und?

Ich habe solcherlei Filme in den 70ern geliebt und aus mir ist auch etwas – relativ – vernünftiges geworden. Ist es jetzt reine Nostalgie, dass ich so sehr von „Tschick“ beeindruckt bin? Ich weiss es wirklich nicht. Um da eine gerade Linie drunter zu ziehen, müsste man die Kritik eines jetzt 14-jährigen lesen, aber ich schätze mal, die werden „Tschick“ zwischen all den MARVEL und Disney Blockbustern gar nicht finden.

Schade – sehr schade....

 

Zur BluRay von StudioCanal

Wie zu erwarten ist die Bild- und Tonqualität exzellent. Wir reden hier schließlich von einem Film von 2016 auf dem gerade aktuellsten Medium. Besonders gut macht sich die BluRay allerdings in Sachen Landschaftsaufnahmen und davon gibt es in „Tschick“ einige zu bewundern. Akin hat hier teilweise verblüffende Bilder aus dem „wilden Osten“ verewigt, die den Zuschauer schön auf den kommenden Sommer einstimmen können.

tsch05Als Extras findet sich zuerst einmal ein Audiokommentar mit Regisseur und Hauptdarstellern, den ich allerdings aus Zeitgründen noch nicht hören konnte, der aber hier nachgetragen wird. Desweiteren findet man einige kleine Interviews, ein – leider zu kurzes - Making of und einige Clips von Spiegel Online und Circus Halligalli. Natürlich fehlen auch die deleted Scenes und die diversen Trailer nicht, wobei letztere leider einen erheblich actionmäßigeren und „hipperen“ Film ankündigen.

Ein Rundum Sorglos Paket also, dass man jedem alten Hark Bohm Fan, jedem Fatih Akin Fan und jedem Freund von Roadmovies wärmstens ans Herz legen kann. Schön, dass es sowas noch gibt.

Dia

 

tsch06p.a.:

In einer Nebenrolle findet sich Uwe Bohm als Arschlochvater von Maik in dem Film und darf am Ende in einer wunderschönen Hommage an „Moritz, lieber Moritz“ zeigen, dass er seitdem wenig verlernt hat.

Nettes Easter Egg, Fatih. J


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