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The Boxer from Shantung (1972)
Der Pirat von Shantung

Regie: Cheh Chang

Darsteller: Kuan Tai Chen, David Chiang

 

 

Ach die gute alte Zeit Mitte der 70er, wenn ich und meine Klassenkameraden (damals so zwischen 12 und 15) jeden Mittwochnachmittag im Stadteilkino verbrachten und uns die neuesten Meisterwerke aus China ansahen. Sicher waren wir, rein von der gesetzlichen Seite aus gesehen, noch erheblich zu jung, um uns mit Racheepen zu beschäftigen, in denen Konflikte mittels stahlharten Fäusten oder blitzenden Schwertern ausgetragen wurden, aber mal ganz ehrlich – gibt es etwas Besseres für heranwachsende junge „Männer“ als Helden, die ehrenvoll im Kampf sterben oder zumindest am Ende des Filmes schwer verletzt aber siegreich das Schlachtfeld verlassen?

Außerdem hatten die – damals noch simpel als „Schwertkampffilme“ – bezeichneten Werke auch den Vorteil, dass wir nach dem Verlassen des Kinos für eine gewisse Zeit unbesiegbar waren, oder uns zumindest dafür hielten. Eine zerbrochene Brille bei Oliver und ein abgebrochener Schneidezahn bei mir lehrten uns allerdings schnell, dass dem in Wirklichkeit nicht so war.

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Aber das ist eine andere Geschichte….

 

In „Der Pirat von Shantung“ (woher das Wort Pirat stammt soll mir mal einer vom damaligen SCOTIA-Verleih erklären) wird die Geschichte des Landeis Ma Yung Chen (Kuan Tai Chen, der dem deutschen Plakat nicht einmal eine Erwähnung wert war) erzählt, der aus dem Dorf Shantung (yup - hier stimmt das Plakat!) in die große Stadt Shanghai kommt. Dort lernt er den ehrenhaften Gangster Tan Sze (David Chiang) kennen und lässt sich von ihm nicht korrumpieren.

Ma will seinen Weg alleine gehen, Hilfe von Tan nimmt er nicht an.

Als Ma in einem Wirtshaus auf die „4 Meister“ trifft, die für den Obergangster Yang Shuang arbeiten, erteilt er diesen mittels seiner unkonventionellen, aber äußerst effektiven, Kampftechnik eine schmerzhafte Lektion.

boxer02Somit übernimmt Ma den Stadtbezirk, in dem das Wirtshaus, steht als „Beschützer“ und sich später auch noch ein Casino/Freudenhaus dazu. Sein Aufstieg scheint unaufhaltsam, was Yang Shuang allerdings weniger gefällt. Doch dieser hat momentan zuerst einmal Probleme mit Tan Sze, die (und den) er beseitigen muss. Nachdem Ma den toten Tan findet kann ihn nichts mehr von seiner Rache abhalten.

 

„The boxer from Shantung“ ist ein richtungweisender „Eastern“, da hier erstmals das Gangstermotiv in das Genre einfloss. Die Geschichte des kleinen unbedarften Kämpfers, der sich zum moralisch einwandfreien (Ma weigert sich sogar Schutzgeld zu kassieren) Gangster aufschwingt, dann am Ende alle bösen Wichte vernichtet und dabei (schließlich darf sich selbst moralisch einwandfreies Gangstertum nicht auszahlen) auf der Strecke bleibt, tauchte nach diesem Film in gefühlt hunderten ähnlicher Werke auf, konnte aber zumeist nicht ein Fitzelchen der Qualität von Chang Chehs Meisterwerk erreichen.

boxer05Das liegt zuerst einmal an den gewohnt drastisch-blutigen und perfekt inszenierten Actionszenen (alleine das Finale dauert geschlagene 18 Minuten), aber zu einem großen Teil auch an einem Drehbuch, dass sich durchaus Zeit nimmt die Charaktere zu entwickeln und den Schauspielern (allen voran Kuan Tai Chen in seiner ersten Hauptrolle) genug Raum lässt sich auch neben der Action zu profilieren.

Das heißt jetzt aber nicht, dass wir es mit einem ernsthaften Drama zu tun haben, sondern nur, dass die zahlreichen genrespezifischen Kampfszenen durch nachvollziehbare Charakterisierungen begründet sind und deshalb erheblich spannender wirken.

Wenn man sein Herz an eine Figur verloren hat, ist es halt erheblich interessanter zu sehen, wie diese sich bewähren muss. Dann fühlt man jeden ihn treffenden Schlag und spürt jede Axt, die in ihn versenkt wird.

Womit wir einen eleganten Schwenk zum Fleisch des Filmes gemacht hätten, der bei seiner deutschen Kinoauswertung statt 124 nur noch ganze 80 Minuten lief. Was hier an Action geboten wird, zählt mit zum blutigsten was der klassische Eastern in seiner Hochzeit zwischen 1966 und 1975 hervorgebracht hat.

boxer07Zwar beschränkt sich unser Held bei seinen Auseinandersetzungen zumeist auf die Gewalt seiner Schläge und Tritte, seine Gegner, die unter anderem aus der sogenannten „Axt-Gang“ (hinreissend parodiert in Stephen Chows "Hung Fu Hustle" von 2004; siehe Bild) bestehen, sind da weniger zimperlich und so darf das wunderschöne hellrote Shaw-Brother-Filmblut gleich literweise spritzen. Dabei ist wieder einmal bewundernswert mit welchen Tricks die Techniker damals gearbeitet haben. Egal ob Schwerter durch Körper schlitzen, Äxte in Bauchhöhlen gerammt – oder wieder aus ihnen herausgezogen werden – immer sprudelt es aus den Verletzungen hervor, dass es nur so eine Freude für jeden Splatterfan ist.

„The Boxer from Shantung“ ist ein Genreklassiker, der in keiner Sammlung fehlen darf und eine gute Möglichkeit auch Menschen, die dem Genre nichts abgewinnen können, die Qualitäten des klassischen Eastern näher zu bringen.Wenn Ma am Ende vor seinen Schöpfer tritt (das ist nun wirklich kein Spoiler für jemanden, der schon mehr als zwei "Eastern" gesehen hat) ist er über und über mit dem Lebenssaft verschmiert und das Restaurant, in dem die finale Schlacht (Kampf wäre zu sanft für das was uns Chang Cheh hier präsentiert) statt fand, benötigt einen langen Sondereinsatz des Putzpersonals – um genau zu sein dürfte der Einzige der sich zu diesem Zeitpunkt freuen kann, der lokale Bestatter sein.


boxer06Die mir vorliegende BluRay-Disk von MVL/Great Movies enthält die restaurierte Celestial-Version in der bekanntlic exzellenten Bildqualität, die sich auch auf den Hongkong-Scheiben finden lässt, ist aber ansonsten eher dürftig ausgestattet. Neben einem Trailer zum Film (in chinesisch und ohne Untertitel) findet man hier nur noch eine Chang Cheh Dokumentation, von der sich allerdings nur die ersten 2 ½ Minuten in unterirdischer Qualität auf der Disk befinden. Das ist übrigens kein Fehler, sondern auf anderen Disks aus dem Hause Great Movies genau so.

Auf der anderen Seite ist es die günstigste Variante sich den Film in der bestmöglichen Qualität zuzulegen. Ich bin deshalb etwas zwiegespalten, ob ich wirklich eine Kaufempfehlung aussprechen soll.

Wer – so wie ich – keinen Wert auf die deutsche Synchronfassung legt und nicht unbedingt sparen muss, ist sicherlich mit einem HongKong-Import besser bedient.

 

 

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