Ivan Zuccon "liest" Lovecraft - Teil 3 Colour from the Dark (2008) - H.P. Lovecrafts Saat des Bösen Regie: Ivan Zuccon Vorlage: H.P. Lovecraft Drehbuch: Ivo Gazzarrini Darsteller: Debbie Rochon, Michael Segal, Marysia Kay Zum Schimmel passen auch anderweitig verdorbene Lebensmittel ganz gut. Zuccon leitete allerdings nicht ganz so platt über wie ich gerade sondern gönnte sich vor „Colour from the Dark“ noch den in Deutschland bislang nur gekürzt veröffentlichten „Bad Brains“ sowie „Nympha“ mit Tiffany Shepis bei Klosterfrauen und Melissengeist, die beide nichts mit Lovecraft zu tun haben, dafür aber formal nicht minder verwirrend gestaltet wurden als seine bisherigen Filme. Mit „Colour from the Dark“ hingegen versuchte er sich erstmals an einem beinahe chronologischen Stil und obendrein auch noch an einer der besten Erzählungen aus Lovecrafts Feder, deren Inhalt ich jetzt einfach mal als bekannt voraussetze.[1]
Trotz einer erneut fragmentarischen und durch zahlreiche Traumsequenzen aufgepeppten Erzählweise ordnet Zuccon den Verlauf der Handlung aber durch klare Zeitangaben (Montag, Dienstag, usw.), bis nach einer Woche schließlich alle von der Farbe ausgezehrt oder anderweitig ums Leben gekommen sind. Und gerade dieses Auszehren wurde optisch wirklich bemerkenswert umgesetzt: Wo zu Beginn kräftige, teilweise digital nachbearbeitete Farben überwiegen, herrscht am Ende der allgemeine Modder in tristen Grautönen, was gut zu Pietros letzten Worten „Es saugt dich aus!“ passt. Die Preisfrage lautet allerdings: was saugt dich aus? Die Schuldkomplexe, weil man zu den Achsenmächten gehörte und sich an der Judenverfolgung beteiligte? Der durch eine vermeintlich gute Ernte symbolisierte scheinbare wirtschaftliche Aufschwung nach dem „Menschenopfer“ an der Jüdin scheint dies nahezulegen, doch durch die (anti-)christliche Symbolik von schmelzenden Kruzifixen und einen gründlich missglückten Exorzismusversuch macht Zuccon deutlich, dass hier etwas am Werk ist, das Mussolini und die Nazis an Bösartigkeit noch weitaus übertrifft. Die Farbe von irgendwo ganz tief unten ist älter und metaphysischer als das banale menschlich-allzumenschliche Böse und wird konsequenterweise noch vor dem Mord freigesetzt.
Den seit Jahrzehnten in der Krise steckenden italienischen Horrorfilm kann man damit allerdings selbstverständlich nicht reanimieren, und es ist anzunehmen, dass auch Zuccons Version von „Herbert West – Re-Animator“ wieder mit sprunghafter Erzählweise, bemühter Optik und ein wenig Kunstblut seine technischen und dramaturgischen Defizite zu kaschieren versuchen wird. Aber gleichzeitig belegen die Filme Zuccons, dass man auch mit Mini-Budget deutlich mehr fabrizieren kann, als die hundertvierundachzigste Fake-Snuff-Sudelei, und dass man es auch innerhalb dieser Filmsparte durchaus zum „Auteur“ bringen kann. Wenn man vorher weiß, dass man sich auf Tiefkühlpizza einlässt weil Ossobuco den Preisrahmen gesprengt hätte, spricht also zumindest aus meiner Sicht nichts gegen einen Besuch beim Italiener. Zumal die soliden DVD-Veröffentlichungen dank 16er-Freigabe problemlos und obendrein recht günstig zu bekommen sind und man auf eine „richtige“ Lovecraft-Verfilmung wohl noch lange warten darf. Del Toros „Berge des Wahnsinns“ sind ja leider schon seit einiger Zeit auf immer hinter dem Plateau von Leng verschollen… Alexander [1] Zumal ich die Verfilmungen „Die, Monster, Die!“ und „The Curse“ bereits unter die Lupe genommen habe.
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Interessanter als der eigentliche Plot sind in diesem Falle nämlich die inhaltlichen Abweichungen von der Vorlage: beispielsweise wird die Handlung nach Italien in die Zeit des Faschismus verlegt und der schleichende Verfall auf Pietros Bauernhof scheint in direktem Zusammenhang mit dem Mord an einer bei den Nachbarn versteckten Jüdin zu stehen. Denn obwohl in einer Traumsequenz ein Wehrmachtshampelmann mit einer Mütze von der Nationalen Volksarmee auftaucht (authentische Requisiten sind nun mal teuer), schweigt sich der Film beharrlich darüber aus, wer sie denn nun eigentlich erschossen hat. Stattdessen liegt sie als Leiche irgendwo im Wald und fault vor sich hin, unterbrochen durch einige Besuche von Pietros bekloppter Schwägerin Alice. Selbige ist aus ungeklärten Gründen verstummt und nutzt eine gruselige Puppe als Kommunikationsmittel, was in einigen Szenen sehr effektiv umgesetzt wurde – beispielsweise lässt Alice zunächst ihre Puppe über einen Brunnenrand schauen um sich anschließend von ihr erzählen zu lassen, was es dort wohl Schlimmes zu sehen gibt.
Nicht minder bekloppt bzw. besessen ist auch schon bald Pietros Ehegattin, denn sie ist die erste, die dem Einfluss der „Farbe“, die diesmal nicht aus dem All sondern aus dem bereits erwähnten Brunnen kommt, erliegt.







