Vor noch nicht einmal zehn Jahren war das Wort Casting ein Begriff, den höchsten angehende Schauspieler oder absolute Filmfreaks kannten. Seitdem Dieter Bohlens Geldmaschine namens “Deutschland sucht den Superstar” (kurz DSDS) angeworfen wurde und sich ein wahres Heer aus Nachahmern fand, sind Shows in denen sich mehr oder weniger begabte Menschen vor der Kamera den absurdesten Beleidigungen unterwerfen zum Standard geworden.

“Das Supertalent” - zur Zeit samstags abends bei RTL zu bewundern – ist da keine Ausnahme. Alle Zutaten eines deftigen Dumpfbackeneintopfes sind da.

Da haben wir zuerst einmal eine Jury, deren Daseinsberechtigung mehr oder weniger zweifelhaft ist. Allen voran natürlich der unvermeidliche Herr Bohlen, der sich hier (von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen) tatsächlich einigermaßen menschlich verhält. Zumindest kann man diesem Selbstdarsteller nicht vorwerfen, er habe keine Ahnung von Musik. Denn, was immer man auch von seinen musikalischen Ergüssen halten mag, er hat nahezu midasmässige Fähigkeiten, wenn es darum geht aus Müll Geld zu machen.

Als zweites finde sich im Dreigestirn eine Dame namens Sylvie van der Vaart, deren Qualifikationen für diesen Job darin bestehen, eine kleine Modellkarriere hinter sich zu haben und aktuell Fussballerweibchen zu sein. Warum jemand mit solch einer Vita nun die künstlerischen Qualitäten der Kandidatenkurzauftritte bewerten soll, ist zumindest fragwürdig.

And last and totally least gibts da noch den ebenso unfähigen Bruce Darnell. Die dunkelhäutige Laufstegschwuchtel, die trotz einer Reihe von Megaflops (unvergessen seine gebührenfinanzierte Stylingshow in der ARD) und eines schwachsinnig klingenden deutsch-englischen Kauderwelsches (“Du bist die Wahnsinn”) immer noch sein Gesicht in die Fernsehkameras halten darf.

Vor diesen drei “Fachleuten” präsentieren sich nun also in der Show Nachwuchstalente mit unterschiedlichsten Auftritten und getreu den angloamerikanischen Vorbildern, ist die ganze Sendung ein wohlausgewogener Mix aus peinlichen Momenten und tatsächlich überraschenden Performances.

Überdeutlich wird natürlich, in wie fern sich die Sendereihe an ihren Wurzeln orientiert. Die amerikanische Variante “America got Talent” wurde zum Beispiel im Jahr 2006 von der damals 11-jährigen Bianca Ryan gewonnen, deren Stimme bereits da eine gelungene und perfekte Mischung aus früher Barbra Streisand und später Janis Joplin war. So tummeln sich jetzt auch im deutschen Ableger, mindestens zweimal pro Folge, Kinder zwischen 8 und 13 Jahren auf der Bühne um ihre Sangeskünste zu Gehör zu bringen.

Da viele dieser Kids scheinbar eher durch ihre überambitionierten Eltern dorthin getrieben werden, als durch eigene Sangeslust, kommt es teilweise zu peinlichen Situationen.

Beispiel: Ein 10-jähriger Junge tritt auf die Bühne und verkündet, daß er nun Heintjes “Mama” zu Gehör bringen möchte. Herr Bohlen blockt mit den Worten: “Das hasse dir doch sicher nicht selbst ausgesucht, oder? Was würdest du denn selber gerne singen?” ab, woraufhin der Kleine (mit einem verstohlenen Blick hinter die Kulissen) zugibt, doch lieber was von Elvis zu Gehör bringen zu wollen.

Sicherlich ein Negativbeispiel und man sollte so etwas nicht verallgemeinern, denn manche der Kinder bringen wirklich überzeugende und überraschende Auftritte zu Stande. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl von “Kidsploitation” beim Zuschauer hängen, wenn siebenjährige Büttenreden vortragen, die mehr als deutlich von Elternteilen verfasst wurden, oder kleine Mädchen in Kleidungsstücken auftreten, die eher zur Mini-Playback-Show passen würden.

Aber nicht nur das amerikanische Vorbild wird schamlos kopiert. Da der arbeitslose rundliche Klempner Paul Potts die englische Variante der Show im vorigen Jahr gewonnen hat und es selbst Werbehassern wie mir, dank unseres magentafarbenen Telekommunikationsriesen, schwerfällt seiner Weichspülklassik zu entkommen, gibt es in der Show auch einige ähnliche Auftritte. Nahezu jeder “Künstler” bekommt im Einspielfilm eine traurige Geschichte verpasst, während im Hintergrund die Geigen wimmern und die weichgezeichneten Bilder den direkten Weg über die Tränenkanäle gehen. Das die darauf folgenden Auftritte dem Hype meist nicht standhalten können ist fast logisch, denn egal, was man von der eher mittelmässigen Stimme des Herrn Potts halten mag – seine Performance hob sich zumindest aus dem sonstigen Mittelmass ab.

Sicherlich gibt es auch bei den beiden oben erwähnten Varianten einige wirklich aussergewöhnliche und qualitativ hochwertige Auftritte, bei denen man wirkliches künstlerisches Talent erkennen kann. So überraschte die 13-jährige Yosefin mit einer sehr eigenständigen Version eines Titels von Alicia Keys, die sogar besser klang, als das Original und ein anderer – natürlich arbeitsloser und schwerbehinderter – Künstler zeigte dass man Schuberts Ave Maria sogar auf der Mundharmonika spielen kann.

Aber die wahren Überraschungen der Show sind dann die Auftritte, die wirklich aussergewöhnlich sind und die zeigen, das es auch noch etwas anderes gibt als Musik. So fanden sich bei den bisher 4 Sendungen durchaus Nummern, die man als Weltklasse bezeichnen kann. Besonders hervorzuheben sind hier unter anderem ein Jongleur, der zwei große Kristallkugeln AUF seinem Körper balancierte, ein Derwisch-Tänzer, dessen exotische Performance in dieser Form sicherlich noch nie im Fernsehen zu sehen war oder auch eine Schlangenfrau, die bewies, das der menschliche Körper keinerlei Grenzen hat, was Biegsamkeit betrifft.

Der Rest der Sendung wird mit den üblichen Peinlichkeiten gestreckt. Selbstdarsteller, die scheinbar keinerlei Hemmungen haben sich vor einem Millionenpublikum zu blamieren, andere, deren Ziel es offensichtlich ist von Herrn Bohlen einen coolen Spruch zu kassieren und etliche, die ihre künstlerischen Fähigkeiten schlicht und einfach total überschätzen. Normalerweise ist das genau das, was ich in einer Castingshow sehen will – bei “DSDS” z.B. verfolge ich mit Regelmässigkeit NUR die Castings und ignoriere die eigentliche Suche nach Bohlens nächstem Goldkehlchen – doch hier wirken diese lächerlichen Auftritte eher als Showstopper ohne Unterhaltungseffekt.

Und das ist wohl auch der Grund, warum ich meine Samstagabende im Moment mit meinen Kindern vor dem Fernseher verbringe. In “Das Supertalent” gibt es tatsächlich die titelgebenden Talente und die versprochenen Überraschungen. Sicherlich muss man sich durch eine ganze Menge Müll kämpfen (und etliche Male zappen um der Werbung zu entkommen), aber mindestens zwei bis drei Auftritte pro Show sind wirklich überraschend und die verschwendete Zeit wert. Das ist mehr, als man beim privaten Fernsehen eigentlich erwartet.

Dia