Sören Ney, Kiel
30 Jahre Evil Ed
Ich war damals ein gerade volljährig gewordener Filmfan in der nordfriesischen Provinz mit einer besonderen Vorliebe für den phantastischen und Horrorfilm gewesen und hatte frustriert festgestellt, dass die 18 Jahre lang ersehnte Freiheit zumindest in diesem Genre nicht besonders weit reichte. Es gab immer noch Leute die meinten zu wissen was gut und was schlecht für mich sei. Persönliche Präferenzen bürokratischer Kunstverächter wurden mittels akademischer Standardfloskeln zu amtlichen Barrieren vor meiner Netzhaut. Wütend war ich, und zwar so, wie man es wohl nur in diesem Alter sein kann. Unterstützung gab es auf der ganzen Linie nicht. Die Verlautbarungsorgane der Filmwirtschaft Fachmedien reihten sich nahtlos in den Kanon gegen Schmuddel und Schund ein, um im gleichen Atemzug den vermeintlich sauberen Mist in den Himmel zu loben. Aber halt, ein kleines und eher unscheinbares Filmmagazin namens Moviestar nahm sich des Themas an. Im Leserbriefforum fand ich dann den Hinweis zu Evil Ed. Schnell bestellt, dann noch einmal langsam (und diesmal mit Absender) bestellt und als erste Ausgabe die Nummer 7 bekommen. Darum also nur 28 Jahre. Durch Evil Ed wurde alles anders. Nein, nicht allein durch Evil Ed, es gab ja ,wie ich schnell herausfand, ja noch eine ganz Reihe anderer gut gemachter Magazine wie, um nur einige zu nennen, Dark Movies, Dark Palace oder auf seine Art auch Doc Cyclops. Aber Evil Ed gefiel mir immer am besten. Ja es wurde alles anders. Es gab endlich gleichgesinnte Leute und damit auch subversive Netzwerke und somit auch mehr oder weniger strukturierte Informationskanäle. Schnell war ich in regelmäßigen Brief(!)kontakt mit Gleichgesinnten und machte meine ersten holperigen Schreibversuche. Wir machten alles selbst, denn wenn wir es nicht machten, dann machte es niemand. Ohne Internet, nur mit Schreibmaschine und VHS Recordern bewaffnet. Mein Filmgeschmack wurde unendlich breit und unglaublich abseits des amtlich verordneten gefälligen Mainstreamkinos. Durch Evil Ed lernte ich den Blick über den Tellerrand, um festzustellen, dass ich mich eigentlich nur in einer kleinen Suppenschüssel auf einer riesigen Tafel befand. Niemals hätte ich sonst zum Beispiel die Werke von John Waters oder Jörg Buttgereit schätzen gelernt! Noch heute ziehe ich meinen Hut vor den Autoren, die so ganz ohne Internet und IMDb oder Wikipedia unglaubliche Informationen zusammentrugen. Man traf sich auf Filmfestivals und konnte dort tatsächlich mit seinen Helden Bier trinken. So zum Beispiel mit Peter Jackson, der damals Meet the Feebles in Hamburg vorstellte. Subkultur ist was Feines! Und da man eine Sprache vor allem dann lernt wenn man sie braucht, wurde mein Englisch stetig besser. Wie es wohl kommen musste, ging diese spannende Zeit aber auch irgendwann zu Ende. Es hing wohl vor allem damit zusammen, dass viele Protagonisten der Szene ihren Lebensschwerpunkt verlagerten, zumeist aus beruflichen Gründen oder zum Studieren weg zogen. Sinnlose Streitereien im Fandom taten Ihr Übriges. Mit Splatting Image erschien dann erstmals ein professionelles Magazin auf der Bildfläche und viele Amateure strichen nun endgültig die Segel. Aber auch die Zeiten änderten sich. Neue Technologie wie Internet, DVD oder DivX reduzierten die Macht der Pharisäer für virtuellen Menschenschutz. Peter Jackson bekam zwischenzeitlich Oscars, David Cronenberg einen silbernen Bären und mit Tarantino kam ein Regisseur, der für die staatlich aberkannten Filmgenres in den Feuilletons eine Lanze brach. Ziel erreicht? Ja könnte man meinen. So einige der damals indizierten Filme stehen jetzt mit einer Jugendfreigabe im Regal und die Liste der nach §131 beschlagnahmten Filme schrumpft stetig. Die Bundesprüfstelle beschränkt sich immer mehr darauf, ihre Existenzberechtigung durch verwaltungsrechtliche Winkelzüge zu erhalten und uncut Versionen, die ich einst stolz als verwaschene VHS Drittkopie mein Eigen nannte, finden sich mittlerweile auf YouTube in Spitzenqualität! Aber etwas fehlt. Die kleinen Perlen des Filmemachens. Ich hab mich leider im Laufe der Zeit immer weiter zurück in meine kleine Suppenterrine gezogen und schaffe es noch nicht einmal bei den vermeintlich großen Produktionen auf dem Laufenden zu bleiben. Ich freue mich deshalb sehr, dass Dia wieder die Initiative ergriffen hat und hoffe, dass ich mir die Zeit nehmen werde, wieder das eine oder andere Kleinod anzuschauen. Ganz wie in alten Zeiten und wieder nach dem Motto wer wenn nicht wir soll darüber erzählen! Sören Ney
Wow Sören, ich bin sprachlos (und das kommt bekanntlich nicht so of vor). Mit diesem Artikel (Leserbriegf wäre zu klein dafür) hast du ganz genau zusammengefasst, was damals im fandom vor sich ging. Es war damals bei weitem nicht alles besser oder schlechter - es war halt total anders. Wer weiß, vielleicht schaffen wir es ja mit dem EVIL ED-Reboot ein wenig von diesem Lebensgefühl in das digitale Zeitalter hinüber zu retten und vielleicht motiviert dein Artikel ja auch andere "alte" Eddies mal ihre Erinnerungen zu "Papier" zu bringen. dia |
- Dia